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Lao-Tse – Leben und Wirken des Wegbereiters in China (E-Book)

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Lao-Tse (eBook)

Leben und Wirken des Wegbereiters in China. Dieser Band der Buchreihe führt in das alte China der Tschou-Kaiser. In dieser Zeit wächst der Knabe Li-Erl heran, den sein Lehrer, ein tibetanischer Lama, zu hoher Bildung erzieht und ihm das Wissen von Gott vermittelt. Früh erkennt Li-Erl seine Aufgabe, als Künder des „Erhabenen“ zu wirken, der über allen Göttern steht. Bevor er in diese Aufgabe eintritt, lernt Li-Erl den Götter- und Dämonenglauben kennen, wie er in China herrscht, und er erlangt im Kloster seines alten Lehrers aus Tibet selbst die Lama-Würde.

Da Li-Erl durch Vermittlung seines Lehrers auch am chinesischen Kaiserhofe war und dort in freundschaftliche Verbindung zum jungen Herrscher kam, erfährt er nun in seinem Kampf gegen die Dämonenplage von diesem Unterstützung. Nicht nur das, der Kaiser schließt sich dem Glauben Lao-Tses an – wie der Wahrheitskünder nun heißt. Im Sinne seiner Lehre kann der Kaiser viel Gutes im Lande bewirken und er vertraut seinen Sohn, den künftigen Herrscher, Lao-Tse zur Erziehung an. Doch nur ein paar Generationen nach Lao-Tses Wirken wird die Wahrheit, die er kündete, verbogen und ist das Wissen vom „Hocherhabenen“ verschüttet.

LAO-TSE

LI-FU-TAI saß vor seiner Hütte in beschaulicher Ruhe. Über ihm spannte sich ein tiefblauer Himmel, aber er schaute nicht empor zu ihm. Ringsumher dehnten sich wogende, grüne Reisfelder, aber Li-Fu-Tai achtete ihrer nicht.
Er hatte sich ganz in sich zurückgezogen; seine Seele grüßte andere Seelen in anderen Gefilden.
Ein kleines, gelbes Hündchen sprang herbei und suchte die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich zu lenken. Aber alle seine drolligen Sprünge, sein lustiges Kläffen waren vergeblich, des Menschen Seele war nicht in ihrem Körper.
Mit spitzen, weißen Zähnen packte das Tier das blaue Gewand Li-Fu-Tais. Als aber auch das Zupfen fruchtlos war, lief das Hündchen eilfertig in die Hütte zurück.
Aus dieser trat eine Frau und näherte sich dem Manne. Als sie jedoch den abwesenden Ausdruck seiner Züge gewahrte, ergriff sie schweigend die am Boden stehenden Schöpfgefäße und entfernte sich mit ihnen.
Nun war es ganz still um den Träumenden.
Von fern her segelte eine weiße Wolke, ein sonderbares Gebilde. Sie kam näher, immer näher und nahm die Gestalt eines riesigen Drachen an.
Als sie ganz nahe bei Li-Fu-Tai angelangt war, schien sie sich zu senken. Flimmernd hob sich der Kopf des Wolkendrachen vom Himmelsblau, und eine Stimme tönte wie das Brausen des Windes bald laut und bald leise:
»Höre mich, Li-Fu-Tai! Schang-Ti sendet mich, mit Dir zu reden. Kehre zurück aus den Gärten der Seelen!«
Unbeweglich blieb die Gestalt des Menschen, aber seine Seele folgte dem Ruf. Und sie lauschte dem, was der Bote Schang-Tis ihr zu künden hatte.
Dieser begann von neuem:
»Menschenseele, höre! Treu denkst Du Deines Volkes und sinnest Tag und Nacht, wie Du die Herrschaft der Dämonen brechen kannst. Aber Deine Kraft ist zu schwach, das weißt Du. Du bist auch nicht bereitet, Gedanken des Himmels in Dich aufzunehmen und sie weiterzugeben an solche, die ihrer bedürfen und zu Schang-Ti darum flehen. Aber wisse:
Droben in einem der höchsten Gärten wurde eine Seele bereitet seit langem schon. Sie nahm höchste Weisheit in sich auf und erhielt die Fähigkeit, Kraft aus dem Licht zu schöpfen, wann immer sie diese benötigen wird.
Diese Seele ist ausersehen, Deinem Volke ein Führer zu sein, und Dich hat Schang-Ti erwählt, dieser Seele die irdische Heimat zu bereiten. Das soll Dein Lohn sein für Deine Treue gegen Schang-Ti und gegen Dein Volk. Sage, Li-Fu-Tai, willst Du diese Seele aufnehmen und hüten als Geschenk der Götter?«
Und Li-Fu-Tais Seele neigte sich und legte ein Gelübde ab vor Schang-Tis Boten. Danach kehrte sie in ihren Körper zurück.
Li-Fu-Tai fiel zu Boden, berührte mit der Stirn dreimal die Mutter Erde und betete. In diesem Augenblick wußte er, was vorgegangen war, und tiefe Ehrfurcht ergriff ihn. Die Wolke aber verschwand wieder. In ununterbrochener Bläue lachte der Himmel auf den begnadeten Menschen hernieder.
Sein Weib kehrte von der Wasserstelle zurück. Er ging ihr entgegen, nahm ihr die Eimer ab und trug sie in die Hütte. Keinen Augenblick dachte er daran, sie teilnehmen zu lassen an dem, was er soeben erlebt. Es war noch früh genug, ihr davon zu sagen, wenn die bereitete Seele eingekehrt sein würde.
Fünf Jahre schon lebten sie zusammen, ohne daß die Götter ihren Bund gesegnet hatten. Nun wußte Li-Fu-Tai, warum dies hatte sein müssen. Dieses Kind sollte in Abgeschlossenheit aufwachsen dürfen.
Er aber, Li-Fu-Tai, mußte sich nun bereiten, er mußte sich täglich vertiefen in die heiligen Schriften, die von den Göttern und vor allem von Schang-Ti, dem obersten aller Götter, berichteten.
Er mußte immer bewußter seine Seele aussenden in die Gärten des Lichtes, mußte dort daheim werden, damit er der kommenden Seele ein guter Führer sein könnte. Aber auch um sein irdisches Besitztum mußte er sich besser kümmern als seither, damit der Kommende nicht Mangel leide.
Wu-Li, sein Weib, staunte in den nächsten Monaten oftmals über den Fleiß des Mannes. Aber es war ihr recht so. Sie fühlte, daß ihr jetzt eine neue Aufgabe zufiel, voll Freude bereitete sie sich dafür.
Ängstlich beachtete sie alles, was ihr erfahrene Frauen rieten. Nach dem Untergang des Tagesgestirns durfte sie keinen Schritt mehr aus der Hütte wagen, damit nicht Dämonen ihr nahen und sie erschrecken könnten. Allerhand Kräuter mußte sie suchen und ständig bei sich tragen, um gute Geister in ihre Nähe zu ziehen.
Die ganze Luft war ja erfüllt von Geistern jeglicher Art, man konnte gar nicht vorsichtig genug sein, damit man nicht Schlimmes an sich und das werdende Kindlein zog. Und wie sehr mußte man sich hüten, neidisch oder hämisch zu sein, damit die kommende Seele nicht etwa in den Körper eines Fuchses fahren mußte. Jede der Nachbarinnen wußte anderen Rat.
Wu-Li hörte auf jeden, bis sie eines Tages fand, daß viele der Ratschläge sich widersprachen. Wem sollte sie folgen? Mit ihrem Manne darüber zu sprechen, kam ihr nicht in den Sinn. Er dachte sicher wie die meisten Männer, daß es den Frauen an Verstand mangele, so daß man nicht ernstlich mit ihnen reden könne. Sie wollte sich erst gar nicht einer Zurückweisung aussetzen.
Eines Morgens ging sie sehr früh zur Wasserstelle. Diese lag zwischen hohen Fächerpalmen eingebettet. Smaragdgrünes Moos wuchs ringsumher, das ein prächtiges Polster zum Ruhen geschaffen hatte.
Wu-Li kniete nieder, um Wasser zu schöpfen. Da sah sie eine liebliche Frauengestalt, wie sie solche noch niemals erschaut. Alles an ihr war licht und hell, sogar die langen Haare, die sie wie ein Mantel umhüllten.
Aber sonderbar, es schien Wu-Li, als könne sie die Stämme der Palmen durch die Gestalt hindurchsehen. War es ein Himmelsbote? Ein Dämon konnte es nicht sein. Wohl hatte man Wu-Li erzählt, daß die Dämonen manchmal prächtige Gestalten annehmen; aber diese Frau sprach zu Wu-Lis Seele, und ruhig überließ sie sich dem beglückenden Gefühl, das die Erscheinung in ihr erweckte.
Nachdem Wu-Li lange geschaut hatte, wagte sie die Frage:
»Wer bist Du, und woher kommst Du, Du Wunderschöne?«
»Ich bin eine Dienerin der Kwang-Non und komme aus den Gärten der Seelen. Eine Seele will einkehren bei Dir. Du sollst sie pflegen und hüten und stets dessen eingedenk sein, daß Schang-Ti, der Erhabene, sie zu Dir sendet! Bereite Dich, sie würdig zu empfangen.
Großes soll diese Seele vollbringen. Du aber mußt alle Gedanken an Dämonen von Dir weisen. Sie können sich Dir nicht nahen, solange Deine eigenen Gedanken sie nicht herbeiziehen. Bete ohne Aufhören zu Schang-Ti, rufe zu Kwang-Non, und Segen wird um Dich gebreitet sein wie ein heiliger Mantel.
Meide den Verkehr mit den Nachbarinnen, gehe in die Wälder und suche die heiligen Stätten auf. Bereite in Deiner Hütte einen Altar und bringe Blumenopfer.«
Schon längst hatte Wu-Li sich betend geneigt und die Stirn auf den Moosteppich sinken lassen. Überwältigt war sie von der Heiligkeit des Augenblicks. Als die holde Stimme nun schwieg und das Weib aufschaute, fand sie sich allein. Freude erfüllte sie.
Als Wu-Li noch am gleichen Tage am besten Platz der Hütte einen Altar errichtete, schaute Li-Fu-Tai sie fragend an, als erwarte er Aufklärung. Da er aber nicht mit Worten fragte, ward ihm auch keine Antwort.
Staunend beobachtete er den Aufbau des kleinen Hausaltars. Das feinste, am reichsten gestickte Seidenstück breiteten Wu-Lis kleine Hände über den Lacktisch. Danach stellte sie eine bronzene Räucherschale in die Mitte, rechts und links davon zwei kostbare Vasen mit Blüten. Das war alles.
Nun mußte Li-Fu-Tai doch fragen; denn er vermißte alle Anzeichen des Ahnenkults, wie Amulette, Standbilder und Schriften. Ein Altar wurde errichtet, um daran anzubeten, das war klar. Sollte er, der Herr des Hauses, aber dort seine Gebete verrichten, so mußte er auch erfahren, wem sie galten.
»Will die Blüte meines Hauses mir nicht sagen, wem sie den Altar weiht?« fragte er freundlich, obgleich er sich ärgerte, daß er die Frage erst stellen mußte.
Er hatte schroff Auskunft verlangen wollen, aber da erinnerte er sich, daß Harmonie in dem Hause schwingen sollte, das die kommende Seele beherbergen durfte. Nun war er selber überrascht, wie wenig Überwindung es ihn kostete, freundlich zu sein. Noch mehr überraschte ihn aber die Antwort seines Weibes:
»Altar und Opfer gelten Schang-Ti.«
Das war noch nie dagewesen, daß dem höchsten der Götter ein Altar in einer gewöhnlichen Wohnhütte errichtet worden war! Entsetzt starrte Li-Fu-Tai sein Weib an. Sollte die Erwartung der ihr beschiedenen Freude ihre Sinne verwirrt haben? Er mußte ihr dies anmaßende Beginnen auszureden versuchen.
Gütig wandte er sich ihr zu und wollte zu sprechen beginnen. Da sah er an dem Altar eine lichte Frauengestalt stehen. Sie hob segnend die Hände über Räucherschale und Blumen, danach auch über Wu-Li, die anbetend zu Boden gesunken war. Also sah sein Weib die Lichte auch? Staunend dachte es der Mann, während er langsam neben Wu-Li zu Boden sank.
Da begann die Gottesbotin zu reden. Mit heller, leiser Stimme verkündete sie, daß Schang-Ti Altar und Blumenopfer gnädig angenommen habe. Die Eheleute sollten nicht nachlassen mit Beten. Ihre Hütte müsse zum Tempel Gottes werden, in dem Frieden und Freude die Herrscher seien.
Danach war die Holde verschwunden, aber Mann und Weib fanden durch das gemeinsame hohe Erleben den Weg zueinander und berichteten gegenseitig, was sie hatten erschauen und hören dürfen. –

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ISBN 978-3-87860-513-3
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